www.wirtschaftszeit.at, 24.10.2013
Jürgen Schwendinger ist Obmann des Hundesportvereins SVÖ Lustenau und Ausbildungsreferent beim Verein der Belgischen Schäferhunde in Österreich. Vor allem aber züchtet der Marketingmanager der Hypo-Landesbank selbst Deutsche und Belgische Schäferhunde, die als echte „Gsiberger“ schon weltweit anzutreffen sind. Im Interview erzählt der Hundebesitzer mit Leib und Seele, warum seine Hunde nie beißen würden, wieso sie dennoch für den Polizeidienst mehr als tauglich sind und warum seiner Meinung nach jeder Hundebesitzer in die Hundeschule gehen sollte.
Kann man sagen, dass Ihre Hunde Ihr Hobby sind? Na ja, wenn wir einen neuen Wurf haben, dann könnte man eher Full-Time-Job dazu sagen, aber prinzipiell kann man das schon so sagen – wobei: Eigentlich ist eher der Hundesport mein Hobby. Die Hunde sind meine Leidenschaft.
Und was kann sich ein „Hundelaie“ wie ich unter Hundesport vorstellen? Eine Dressur, bei der den Hunden gewisse Fähigkeiten gelernt werden, die dann etwa im Rahmen von Meisterschaften geprüft werden. Wir unterscheiden dabei drei Disziplinen: Die Fährtensuche, bei der es um die Nasenveranlagung geht. Die Gewandtheit bzw. Geschicklichkeit – hier werden Sprünge trainiert, aber auch die „Klassiker“ wie Sitz, Platz und Steh. Und schließlich der Sportschutz, bei dem der Hund auf Mut und Kampftrieb überprüft wird.
Kampftrieb? Ist das nicht gefährlich? Nein, weil wir das immer nur mit einem Beuteobjekt – dem Schutzarm – machen, nie in Verbindung mit dem Menschen. Der Hund wird darauf konditioniert nur dann anzugreifen, wenn ein solcher Schutzarm angelegt ist. Sie würden also nie beißen, wenn kein Beuteobjekt vorhanden ist. Das kann man allerdings nicht mit jeder Rasse machen. Prädestiniert dafür sind sogenannte Gebrauchshunderassen, also beispielsweise Deutsche oder Belgische Schäfer. Diese Hunde haben diesen Kampftrieb nach wie vor am ausgeprägtesten in ihrem Naturell, werden aber natürlich auch entsprechend gezüchtet.
Nur mal angenommen, ich hätte einen Hund, werde überfallen und der Täter – freilich ohne Schutzarm – flüchtet. Würde mein Hund auch dann nicht angreifen? Wahrscheinlich nicht. Darum geht es allerdings im Sportschutz bzw. bei der obersten Dressurschiene, wie wir sie betreiben, gar nicht. Wir simulieren lediglich Situationen, in denen beispielsweise ein Täter wegrennt, machen das aber, wie gesagt, ausschließlich mit dem Beuteobjekt. Übrigens: Auch beim klassischen Polizeiprogramm muss der Hund den Täter erst einmal suchen und dann durch Bellen zeigen, dass er ihn gefunden hat. Ähnlich wie bei Suchhunden, die im Rahmen von Rettungsaktionen eingesetzt werden.
Bilden Sie denn Ihre Hunde auch zu Polizeihunde aus? Nein. Diensthunde werden von der Polizei selbst ausgebildet. Allerdings machen wir die Zuchtselektion für die Behörden, immerhin haben etwa 90 Prozent der Behörden Belgische Schäferhunde. Letzthin haben wir beispielsweise einen unserer Belgischen Schäferhunde an eine Schweizer Behörde verkauft. Und derzeit – wir hatten gerade erst wieder einen tollen Wurf mit elf Welpen (!) – sind wir mit der chinesischen Polizei im Gespräch.
Beeindruckend. Womit wir beim Thema „Zucht“ wären... Ja, wir machen das schon seit zehn Jahren. Und es ist jedes Mal wieder eine sehr große Herausforderung, zwei Tiere zu paaren, um, wenn man so will, ein gewünschtes Ergebnis zu bekommen. Dann werden die Welpen bis zu acht Wochen von uns großgezogen bzw. schon entsprechend trainiert. Und danach werden sie verkauft. Wir züchten nur Belgische und Deutsche Schäferhunde und es ist uns dabei ein großes Anliegen, ihre Wesensmerkmale zu erhalten. Unsere Hunde sind mittlerweile nicht nur in ganz Europa zu finden, sondern auch über dem großen Teich. Im Laufe der Jahre haben sich dadurch schon ein paar sehr gute Freundschaften gebildet. Und das Netzwerk wird immer größer, denn wir sind selbstverständlich darum bemüht, den Kontakt zu halten – wir wollen schließlich wissen, wie sich unsere Hunde entwickeln. Und sie entwickeln sich gut! Unter anderem haben ein griechischer und ein österreichischer Kollege sich für Weltmeisterschaften qualifiziert.
Ihre Hunde haben ja einen ganz speziellen Namen... Stimmt: Gsiberger. So einzigartig wie das Ländle ist, so einzigartig sind auch unsere Hunde. Wir haben den Namen übrigens weltweit schützen lassen.
Wie kam es eigentlich zu dieser Leidenschaft? Das war eigentlich ein ganz normales Erlebnis, wie es wohl bei den meisten Menschen der Fall ist, wenn sie sich einen Hund anschaffen. Ich habe 1992 mit meinem ersten Hund angefangen und einen Erziehungskurs besucht. Relativ schnell bin ich dann zu Belgischen bzw. Deutschen Schäferhunden „gewechselt“ und mit der Zeit einfach tiefer in die Materie eingedrungen.
...und heute Vereinsobmann, Ausbildungswart, Züchter und Hundebesitzer mit Leib und Seele. Genau. Im Verein sind wir mittlerweile eine recht eingeschworene Gemeinschaft, mit der wir regelmäßig zu verschiedenen Meisterschaften reisen. Aber wir organisieren auch selbst Turniere – erst am vergangenen Wochenende (19./20. Oktober 2013) haben wir die erste WM-Qualifikation für 2014 veranstaltet (Anm.: Schwendinger hat die Ausscheidung übrigens auch gewonnen!). Und natürlich bieten wir Kurse an.
Apropos: Sollte bzw. muss ein Hund erzogen werden? Auf alle Fälle. Ich würde sogar so weit gehen, dass jeder, der sich einen Hund anschaffen möchte, zuerst ein Gespräch mit einem Kynologen führt (Anm.: Kynologie ist die Lehre von Rassen, Zucht, Pflege, Verhalten, Erziehung und Krankheiten der Haushunde), um herauszufinden, welcher Hund zu ihm passt. In jedem Fall aber sollte der Hundeführerschein überall verpflichtend sein – so wie das in Niederösterreich und Wien bereits der Fall ist. Dadurch wären Hundebesitzer auch von vornherein im Vereinswesen integriert. Das ist zwar mit Kosten verbunden, was allerdings mit einer Art „Bonus-System“ gesteuert werden könnte: Wenn etwa ein Hundebesitzer bis zum vierten Lebensjahr des Hundes regelmäßig Prüfungen ablegt, könnte er einen Teil der Hundesteuer rückvergütet bekommen.
Und das sollte Ihrer Meinung nach für jeden Hund gelten? Im Prinzip ja, denn die kleinste Rasse ist immer noch ein Hund und stört den Nachbarn, wenn er auf der Terrasse kläfft. Da braucht man als Besitzer ein entsprechendes Wissen, aber auch Ansprechpersonen und Rat. Und das gibt es im Verein.
Eine letzte Frage: Ist der Hund wirklich des Menschen bester Freund? Ob man ihn wirklich als „Freund“ bezeichnen kann bzw. sollte, weiß ich nicht. Ich würde eher sagen, er ist für die soziale Verträglichkeit des Menschen ein sehr förderliches „Mitwesen“. Dafür muss man sicherlich nicht Hundesport betreiben, so wie wir es machen. Es reicht schon, wenn man etwa alleinstehende Personen anschaut. Oder den Gesundheitsaspekt – immerhin muss ein Hund 365 Tage im Jahr an die frische Luft und daher muss sich auch der Hundebesitzer 365 Tage in der Natur bewegen, wo er alle vier Jahreszeiten hautnah spürt. Bei aller Verbundenheit sollte man meiner Ansicht nach einen Hund trotzdem nicht zu sehr vermenschlichen. Der Hund ist ein Rudeltier, das heißt: Er will und muss geführt werden. Leider gerät das aber oft in Vergessenheit. In meinen Augen braucht es ein vernünftiges Mittelmaß.
Originalveröffentlichung (nur mit Registrierung auf wirtschaftszeit.at einsehbar):
http://www.wirtschaftszeit.at/interviews-detail/juergen-schwendinger-und-seine-gsiberger-18050/